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Spezialeffekte

Transhumanismus

Der Transhumanismus ist eine Bewegung des 20. und 21. Jahrhunderts, die anstrebt, den Menschen durch Technik radikal zu verändern. Wie ist der Transhumanismus organisiert? Wie lassen sich die Ziele des Transhumanismus einordnen? Welches Menschenverständnis vertritt die Bewegung?

Was ist Transhumanismus?

Der Transhumanismus bezeichnet eine philosophisch-technologische Bewegung des 20. und 21. Jahrhunderts, die es sich zum Ziel setzt, mittels neuer Technologien den Menschen grundlegend zu transformieren. Sie ist besonders im englischsprachigen Raum (US, UK) verbreitet, deren Gedankengut wird aber auch in den deutschen Technikdiskurs aufgenommen. Humanity+ ist die wichtigste Organisation des Transhumanismus. Bekannte Vertreter:innen sind z. B. Natasha Vita-More, Max More, Nick Bostrom, David Pearce und James Hughes.

 

Die Auseinandersetzung mit dem Transhumanismus ist sehr relevant, da dieser öffentlichkeits- und medienwirksam auf gesellschaftliche Fragen zur Technologisierung antwortet. Diese Antworten und Aussagen des Transhumanismus bedürfen einer kritischen Überprüfung. Auch außerhalb des Transhumanismus finden transhumanistische Motive, z. B. die Upload-Vision, Eingang in den Technikdiskurs und prägen unsere Vorstellungen von Mensch, Technik und Gesellschaft.

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(Vgl. dazu: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 2.)

Zur Unterscheidung von Transhumanismus und Posthumanismus

 

Der Transhumanismus ist eine heterogene, vielfältige und bislang wenig erforschte Bewegung. Daher gibt es in der Forschung kein einheitliches Verständnis davon, was der Transhumanismus ist. Oft wird der Begriff des Transhumanismus mit dem des Posthumanismus vermengt. Während der Transhumanismus den Menschen technologisch transformieren möchte, strebt der Posthumanismus die technologische Überwindung ("post") des Menschen an. Dementsprechend lassen sich ihnen unterschiedliche Themen und Visionen zuordnen (vgl. unten). Dennoch gibt es hinsichtlich der Visionen auch viele Überschneidungen. Der Transhumanismus und der technologische Posthumanismus sollten nicht mit dem Kritischen Posthumanismus verwechselt werden (vgl. Kritischer Posthumanismus), der keine technologische Veränderung des Menschen, sondern ein neues Menschenverständnis mit Überwindung des Humanismus (Post-Humanismus) anstrebt.

 

(Vgl. dazu: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 2.3.)
 

Themen und Visionen des Transhumanismus

 

Zu den Themen und Visionen des Transhumanismus zählen die radikale Lebensverlängerung von mehreren Hundert Jahren bis hin zur Unsterblichkeit, die Kryonik (das Einfrieren von Körperteilen oder des ganzen Körpers, die wieder aufgetaut werden sollen, wenn nach transhumanistischer Vorstellung Unsterblichkeit ermöglicht sein wird), das Human Enhancement, die Verschmelzung von Körper und Technik, neue Sinnesfähigkeiten, virtuelle Erfahrungswelten und Veränderungen der raumzeitlichen Wirklichkeit.

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(Vgl. dazu: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 2.3.)

Themen und Visionen des Posthumanismus

 

Im Posthumanismus dominieren Vorstellungen einer artifiziellen Superintelligenz, der Singularität und des Mind Uploading, der spekulativen Vorstellung vom Hochladen des ganzen Menschen auf eine Festplatte. Der sterbliche Körper wird im Mind Uploading zurückgelassen und Unsterblichkeit ermöglicht. Prägend für den Posthumanismus waren v. a. die Visionen von Ray Kurzweil.

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(Vgl. dazu: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 2.3.)

Transhumanismus und Posthumanismus im Überblick

Tabelle auch in: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, 44. (Angelehnt an Loh 2018 und erweitert).

Mensch im Transhumanismus

 

Der Transhumanismus strebt an, den Menschen technologisch zu transformieren. Das Vorhaben, den Menschen zu verändern, wirft auf die grundlegende Frage zurück, wie der Transhumanismus den Menschen überhaupt versteht. Welches Menschenverständnis vertritt der Transhumanismus und welche anthropologischen Annahmen macht er? Und wie sieht der Mensch aus, den der Transhumanismus anstrebt?

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Solche Reflexionen sind Aufgaben der Technikanthropologie. Meine Untersuchung zur Anthropologie ergeben, dass das transhumanistische Menschen- und Körperverständnis unzureichend ist und an vielen Stellen diskriminierend ist. Es wird ein reduktionistisches, essentialistisches Menschenverständnis vertreten, das den Menschen auf Information reduziert. Der Transhumanismus gibt vor, sich in seinen Visionen auf die Naturwissenschaften zu beziehen, widerspricht bei genauerem Hinsehen jedoch deren aktuellen Erkenntnissen. In meinem Buch habe ich 5 dominante Diskurse im Transhumanismus herausgearbeitet und untersucht: Die Natur des Menschen, Mensch als Maschine, der genetisch codierte Mensch, der Mensch ist sein Gehirn” und metaphysische Überlegungen (Verhältnis von Körper und Geist).

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Dennoch ist es auch abseits des Transhumanismus wichtig, die Frage nach dem Menschen zu reflektieren, da Technologien Menschenverständnisse transportieren und sich das Menschenverständnis in der Technologisierung verändert. Es ist ein dynamisches Menschenverständnis notwendig, das inklusiv ist und Diversität berücksichtigt.

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(Vgl. dazu: Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 4–6, 10.)

Transhumanismus und Religion

 

Warum braucht es die theologische Beschäftigung mit dem Transhumanismus? Wie steht der Transhumanismus zur Religion?

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Die transhumanistische Positionierung zur Religion ist ambivalent. Meistens wird der Religion jedoch mit Ablehnung begegnet, von der sich der Transhumanismus als vernünftigere und wissenschaftlichere Bewegung abzusetzen versucht. Eine größere Offenheit zeigt sich gegenüber den nicht-monotheistischen Religionen, bisweilen gibt es auch Verbindungsversuche von Religion und Transhumanismus, während es eine starke Ablehnung des Christentums gibt.

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Obgleich der Transhumanismus eine ambivalente und ablehnende Haltung zur Religion hat, fällt auf, dass die Bewegung zahlreiche religiöse Motive verwendet: z. B. Unsterblichkeit, ewiges Leben und Motive der Auferstehung, Transzendenz, Selbstüberschreitung, das Streben nach Vervollkommnung und paradiesische Vorstellungen, eschatologische und kosmologische Entwürfe, Heilsvorstellungen, die Beseitigung von Leid, Heilungen von (bislang unheilbaren) Krankheiten, die Möglichkeit eines entkörperlichten Daseins sowie die kognitive und moralische Verbesserung des Menschen.

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Aufgabe der Theologie ist es, sich mit den religiösen Motiven des Transhumanismus auseinanderzusetzen. Außerdem tauchen religiöse Motive auch außerhalb des Transhumanismus allgemein im Technikdiskurs auf. Eine weitere wichtige Aufgabe für die Theologie ist die Auseinandersetzung mit dem Menschenverständnis (Anthropologie) und der Ethik im Transhumanismus und allgemein im heutigen Technikdiskurs (vgl. auch Technikanthropologie und Technikethik).

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(Vgl. dazu:

Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022, Kap. 2.4.

Puzio, Anna: Der berechenbare Mensch im Transhumanismus. Der neurowissenschaftliche Diskurs in der transhumanistischen Anthropologie als philosophisch-theologische Herausforderung. In: Endres, Eva-Maria/Puzio, Anna/Rutzmoser, Carolin (Hg.): Menschsein in einer technisierten Welt. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Menschen im Zeichen der digitalen Transformation. Springer 2022.)

Material

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Bücher:

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Puzio, Anna: Über-Menschen. Philosophische Auseinandersetzung mit der Anthropologie des Transhumanismus. Bielefeld 2022. Online unter: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6305-1/ueber-menschen/?number=978-3-8394-6305-5.

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Aufsätze:

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Puzio, Anna: Der berechenbare Mensch im Transhumanismus. Der neurowissenschaftliche Diskurs in der transhumanistischen Anthropologie als philosophisch-theologische Herausforderung. In: Endres, Eva-Maria/Puzio, Anna/Rutzmoser, Carolin (Hg.): Menschsein in einer technisierten Welt. Interdisziplinäre Perspektiven auf den Menschen im Zeichen der digitalen Transformation. Springer 2022.

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Puzio, Anna: Zwischen Ent- und Begrenzung – Anthropologische und ethische Perspektiven auf die Grenzen des Menschen im Transhumanismus.

In: Becker, Josef/Kistler, Sebastian, Niehoff, Max (Hg.): Grenzgänge der Ethik. (Forum Sozialethik 22). Münster: Aschendorff 2020, S. 149–180. DOI: 10.17438/978-3-402-10655-6.

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Medien:

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Podcast: Wer glaubt, wird selig – Der Studio Omega-Religionspodcast mit Artikel der Katholischen Presseagentur Österreich Kathpress

Podcast „123: Transhumanismus und Theologie: Welche Chancen ergeben sich für Religion und Kirche?“ im Studio Omega, einem Verein für ökumenische Radioarbeit, Erscheinungsdatum: September 2022.

Online unter: https://www.podpage.com/wer-glaubt-wird-selig-der-studio-omega-religionspodcast/123-transhumanismus-und-theologie-welche-chancen-ergeben-sich-fur-religion-und-kirche/.

Mit Artikel der Katholischen Presseagentur Kathpress, Erscheinungsdatum Oktober 2022. 

Online unter: https://www.katholisch.at/aktuelles/140811/theologie-muss-sich-staerker-in-technologische-prozesse-einbringen.

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Interview im Domradio zu Theologie und KI

Interview im Domradio, Erscheinungsdatum: 11.03.2022. Online unter: https://www.domradio.de/audio/ein-interview-mit-dr-anna-puzio-seminar-fuer-philosophische-grundfragen-der-theologie.

Verschriftlichtes Interview "Wie Kirche und Künstliche Intelligenz zusammenhängen". Online unter: https://www.domradio.de/artikel/wie-kirche-und-kuenstliche-intelligenz-zusammenhaengen. 

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Zitationshilfe

 

Puzio, Anna: Transhumanismus. Auf: www.anna-puzio.com (Stand: 05.12.22).
 

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